Moderation Fritz Frey:
Oslo, 76 Tote – nach bisherigem Erkenntnisstand niedergestreckt von einem einzigen Mann. Woher kommt dieser Hass auf Muslime und Linke?
Auf 1.500 Seiten hat der Täter seine kruden Gedanken niedergeschrieben. Das Deckblatt ziert ein solches Templerkreuz. Ein Hinweis darauf, dass er sich in der Tradition der Kreuzritter sieht, als Vorkämpfer gegen eine angebliche Islamisierung Europas.
So einzigartig das Verbrechen – die Gedankenwelt dahinter findet sich in vielen Texten und Internetforen, und das auch in Deutschland.
Claudia Butter, Ulrich Neumann und Michael Stempfle mit einer Spurensuche im Netz an einem Tag, an dem die Welt noch immer fassungslos nach Norwegen blickt.
Oslo in tiefer Trauer. Drei Tage nach dem brutalen Anschlag. Schweigeminute heute Mittag.
Mehr als eine Stunde hat er hier gezielt auf junge Menschen geschossen, 76 von ihnen grausam hingerichtet: Anders Behring Breivik, 32 Jahre alt, christlicher Fundamentalist.
Sein Motiv: Europa vor der Islamisierung retten. Die Tat bezeichnet er selbst als grausam aber notwendig.
Das Attentat: das Thema in islamkritischen Internetforen – auch in Deutschland. Beispiel: Die Plattform „Politically Incorrect“. Während die Welt in Trauer und Entsetzen innehält, sind hier viele relativierende, ja rechtfertigende Kommentare zu lesen. So heißt es beispielsweise:
Zitat:
»Überall in der Welt, wo Moslems sind gibt es Mord, Vergewaltigungen (...) kein Wunder, wenn die Europäer die Schnauze voll haben.«
Zitat:
»...der Täter wurde durch die menschenfeindliche Politik der Sozialisten (...) dazu getrieben. Die Roten sind der Auslöser gewesen.«
Zitat:
»Am Ende triumphiert der Islam, der aber nachweißlich das Schlimmste auf Erden ist!«
Wir bitten ausgewiesene Islam-Experten um Einschätzungen. Den SPD-Innenexperten Sebastian Edathy, den Islamwissenschaftler Prof. Mathias Rohe, und die Grünen-Politikerin Susanna Tausendfreund, die sich seit Jahren mit der Seite befasst:
O-Ton, Sebastian Edathy, SPD, Mitglied des Rechtsausschusses:
»Das, was da zu lesen ist, ist in der Tat schrecklich. Man muss sich übrigens vor Augen halten, das ist alles bereits redaktionell bearbeitet, was da an Kommentaren erscheint. Ich möchte gar die Kommentare erst kennen müssen, die nicht veröffentlicht wurden. Aber dass selbst solche Kommentare sich da wiederfinden, in denen ganz klare Rechtfertigungsversuche für dutzendfachen Mord an Unschuldigen sich ausbreiten lassen, das ist erschreckend, das ist schlimm.«
O-Ton, Prof. Mathias Rohe, Islamwissenschaftler, Uni Erlangen:
»Diese Seite ist im Grunde eine Plattform für weitere Radikalisierungen, wenn ich es so sagen darf, vielleicht eine Einstiegsdroge. «
O-Ton, Susanna Tausendfreund, B‘90/Die Grünen:
»Damit werden Vorbehalte, Ängste, Ausländerfeindlichkeit, Islamfeindlichkeit geschürt und damit wird der Boden bereitet gegenüber Personen, die möglicherweise dann unkontrolliert handeln.«
Es ist nicht irgendeine Plattform, auf der diese Kommentare stehen: „Politically Incorrect“ gilt als eine der erfolgreichsten Internetseiten in Deutschland. Gut 60.000 mal am Tag wird die Seite nach eigenen Angaben aufgerufen.
Wer publiziert dort und was sind die Inhalte? Eine Spurensuche. Wieder und wieder stoßen wir auf puren Islam-Hass:
Zitat:
»Islam ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.«
Zitat:
» Moslems können so gut wie nichts .«
Zitat:
»Der Islam ist wie ein Krebsgeschwür. «
O-Ton, Sebastian Edathy, SPD, Mitglied des Rechtsausschusses:
»Wir haben es zu tun mit einer ganz klar antidemokratischen Seite, die von ihrem Inhalt her sich deutlich richtet gegen ein friedliches Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft, unterschiedlicher kultureller Prägung in Deutschland. Das ist eine Hass- und Hetzseite.«
O-Ton, Susanna Tausendfreund, B‘90/Die Grünen:
»Ich meine schon, dass hier die Religionsfreiheit auf alle Fälle tangiert wird, wenn nicht sogar gröblichst missachtet wird. Und da hört jedes Verständnis im Bereich der Meinungsfreiheit für mich auf.«
Ein Internet-Blogger erscheint sehr oft auf „Politically Incorrect“. Sein Pseudonym: „Fjordman“. In seinen Texten warnt er eindringlich vor der Islamisierung Europas, hetzt gegen Muslime, sät Hass.
Im Forum der Seite stoßen sie auf Applaus und Zustimmung. Ein Beispiel:
Zitat:
»Vor dem Islam gab es Zivilisation in vielen Ländern. (...) Dann kam der Islam und hat alles zerstört.«
Mit „Fjordman“ führt die Spur wieder direkt zum mutmaßlichen Attentäter von Oslo. „Fjordman“ gilt auch als Ideengeber für Anders Behring Breivik. Drei Stunden vor seinem Massaker hat Breivitz dieses 1.500-seitige Pamphlet ins Internet gestellt. Dort finden sich zahlreiche Zitate von Fjordman.
O-Ton, Sebastian Edathy, SPD, Mitglied des Rechtsausschusses:
»Es gibt eben nicht nur, wenn man so will, geschrieben Brandsätze, es gibt auch geworfene Brandsätze. Und ich halte das für brandgefährlich, was sich auf dieser Seite finden lässt.«
Wer betreibt diese Plattform? Gründer ist der Sportlehrer Stefan Herre. Seine Internet-Plattform ist vernetzt mit der rechtspopulistischen Partei „Die Freiheit“ und pflegt engste Kontakte zu Rechten und Rechtspopulisten in Europa. Etwa zu Geert Wilders, dem extremen Muslim-Kritiker aus den Niederlanden.
Auf unsere Anfrage weist Herre schriftlich alle Vorwürfe zurück. Es werde lediglich eine sachlich fundierte Islamkritik geübt. Dabei würden keinesfalls die Muslime verächtlich gemacht. Kommentare, die Menschen verächtlich machen oder zu Gewalt aufrufen, würden von den Moderatoren gelöscht.
Unsere Experten sehen die Seite anders.
O-Ton, Prof. Mathias Rohe, Islamwissenschaftler, Uni Erlangen:
»Sie ist eigentlich ein maßgeblicher Träger dieser von den Fakten nicht gestützten Theorie, dass der Islam gar nicht anders sein kann als gewalttätig, intolerant, rückständig und ähnliches mehr «
Sebastian Edathy hat den Verfassungsschutz immer wieder auf die Gefahren durch das Portal „Politically Incorrect“ aufmerksam gemacht. Geschehen ist bislang nichts. Spätestens jetzt, glaubt er, müsse gehandelt werden.
O-Ton, Sebastian Edathy, SPD, Mitglied des Rechtsausschusses:
»Meine Forderung ist, dass diese Seite systematisch beobachtet wird. Und dass man mit allen Rechtsmitteln, die zur Verfügung stehen, auch Rechtshilfeersuchen gegenüber ausländischen Behörden, gegen diese Seite tätig wird. Dass hinzunehmen, gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen und gerade auch vor dem Hintergrund der Reaktionen auf dieser Seite auf die aktuelle Entwicklung, das hinzunehmen wäre ein deutliches Zeichen von mangelnder Selbstachtung unserer demokratischen Gesellschaft.«
Letzte Änderung am: 27.07.2011, 10.02 Uhr